Aktuelle Plenarwoche im Europäischen Parlament

Plenum
Illustration - President's seat in the hemicycle - Empty plenary chamber in Strasbourg Bild: © European Union 2020

Fit-for-55-Paket: Klimafonds für sozialen Ausgleich – Verordnung; Debatte am Montag, 17.4.2023, ab 17 Uhr; Abstimmung über das Trilog-Ergebnis am Dienstag, 18.4.2023, 12 Uhr bis 13 Uhr

Der Wandel hin zu einer klimaneutralen Zukunft muss sozial gerecht gestaltet werden. Das war besonders für die sozialdemokratische Fraktion von zentraler Bedeutung. In diesem Sinne begrüßt die Europa-SPD, dass die Verhandlungen mit dem Rat zu einem stärkeren Klimasozialfonds geführt haben. Durch diesen Fonds sollen Teile der Einnahmen aus dem überarbeiteten Emissionshandelssystem – etwa 87 Milliarden Euro bis 2030 – vor allem einkommensschwachen Haushalten zugutekommen. Der Fonds wird ein Jahr vor der Ausweitung des Emissionshandels, also 2026, aktiviert, um damit Investitionen in die Energieeffizienz von Gebäuden und klimafreundliche Mobilität zu fördern und so den durch den Emissionshandel verursachten Kostendruck zu senken. Der Fonds wird sowohl projektbasierte Förderungen – zum Beispiel Renovierungen von Sozialbauten – als auch direkte Einkommensunterstützung ermöglichen.

Geschäftsmodell Entwaldung wird gestoppt – Verordnung; Debatte am Montag, 17.4.2023, ab 17 Uhr, Abstimmung am Dienstag, 18.4.2023, 12 Uhr bis 13 Uhr

Mit dem EU-Entwaldungsgesetz soll Geschäftsmodellen, die auf der Zerstörung von Wäldern basieren, ein Riegel vorgeschoben werden. In Zukunft müssen Unternehmen, Verantwortung für ihren Umwelt-Fußabdruck übernehmen, wenn sie ihre Produkte auf den EU-Markt bringen wollen. Per GPS-Koordinaten sollen sie künftig genau nachweisen müssen, woher ihre Produkte stammen, Informationen über Entwaldungsrisiken und damit verbundene Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten sammeln und dagegen tätig werden. Sonst drohen Strafen und ein Ausschluss vom Markt. Das Europäische Parlament konnte erreichen, dass neben Fleischprodukten, Leder, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja und Holz auch Kautschuk in die Verordnung aufgenommen wird. Außerdem konnte das Parlament Versuche des Rats abwehren, die nordische Forstlobby zu schonen, indem es erreicht hat, dass auch die letzten verbliebenen europäischen Urwälder besser durch diese Verordnung geschützt werden. Zudem konnte das Europäische Parlament durchsetzen, dass die Kommission die Ausweitung der Verordnung auf Graslandschaften, wie die südamerikanische Cerrado-Savanne, sowie eine künftige Einbeziehung von Banken, prüfen wird.

Im Dezember einigten sich Europäisches Parlament, Rat und Kommission im Trilog auf ein EU-Lieferkettengesetz gegen Entwaldung. Das Parlament muss diesem Verhandlungsergebnis nun noch final zustimmen. Es wird mit einer breiten Zustimmung aller demokratischer Fraktionen gerechnet. Einzelne CDU/CSU-Abgeordnete könnten sich enthalten oder gegen den Vorschlag stimmen, da sie keine neuen Nachhaltigkeitsregeln für die europäische Land- und Forstwirtschaft wollen.

Der Rat wird dem Verordnungstext voraussichtlich bei der Zusammenkunft der EU-Landwirtschaftsminister*innen am Mittwoch, 26. April 2023 zustimmen. Hier ist Enthaltung oder Ablehnung durch die forstwirtschaftlich geprägten Staaten Finnland, Schweden, Estland und Österreich zu erwarten.

Fit-for-55-Paket: Emissionshandel reformieren, nachhaltige Technologien fördern – Richtlinien-Änderung; Debatte am Montag, 17.4.2023, ab 17 Uhr; Abstimmung über das Trilog-Ergebnis am Dienstag, 18.4.2023, 12 Uhr bis 13 Uhr

Treibhausgas-Emissionen müssen einen Preis haben, um Anreize für Investitionen in emissionssparende Technologien zu schaffen. Mit der Reform des Emissionshandels wird das Angebot an Zertifikaten, auf Drängen des Europäischen Parlaments, deutlich verknappt – dadurch wird das Preissignal gestärkt und dieser Anreiz für Unternehmen in klimafreundliche Technologien zu investieren wächst. Außerdem werden die bisherigen Freibeträge ab 2026 schneller reduziert und bis 2034 für viele Anlagen ganz beendet.

Dafür wird der neue Grenzausgleich eingeführt, um die europäische Wirtschaft vor klimaschädlichen Importen zu schützen, siehe unterer Absatz. Um innovative Spitzenreiter in Europa weiterhin zu unterstützen hat sich das Parlament mit seiner Forderung durchgesetzt, den Innovationsfonds, der wichtige Anschubfinanzierungen für klimafreundliche Industrieprojekte liefert, weiter auszubauen. Neben den Industrie-Emissionen wird der Emissionshandel ab 2027, unter Beachtung umfangreicher sozialpolitischer Schutzmaßnahmen, gegebenenfalls auch Emissionen aus dem Gebäude und Verkehrssektor mit einem Preis versehen – wie in Deutschland bereits durch das Gesetz zum Brennstoffemissionshandel vorgesehen. Damit dieser Schritt nicht zu einer weiteren Ausweitung der Energie-Armut in Europa führt, wird die Einführung des Handelssystems in die neuen Sektoren gegebenenfalls um ein Jahr verschoben, sollten die Energiepreise wieder das Rekordniveau von 2021/22 erreichen. Zusätzlich wird im neuen System eine Preisbremse aktiv, also eine Freigabe weiterer Zertifikate, sollte der Emissionspreis das Level von 45 Euro pro Tonne CO2 überschreiten. Zusammen mit dem gestärkten Klimasozialfonds, siehe oben, sowie dem Investment der EU-Staaten wird dies die sozialen Auswirkungen eines erweiterten Emissionshandels begrenzen.

Fit-for-55-Paket: CO2-Grenzausgleich kommt – wer verschmutzt, zahlt – Verordnung; Debatte am Montag, 17.4.2023, 17 Uhr bis 22 Uhr, Abstimmung am Dienstag, 18.4.2023, 12 Uhr bis 13 Uhr

Das Europäische Parlament stimmt über das Trilog-Ergebnis zum CO2-Grenzausgleich ab (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM). Importeure, die ihre Waren in Ländern außerhalb der EU mit niedrigeren Klimaschutzstandards als die EU produzieren, zahlen an den EU-Grenzen bald einen CO2-Aufpreis. Neben den von der Kommission vorgeschlagenen Bereichen Aluminium, Stahl, Dünger, Strom und Zement konnte das Europäische Parlament durchsetzen, dass auch die Einfuhren von Wasserstoff und einiger Vorprodukte der abgedeckten Sektoren künftig unter den CBAM fallen. Gleichzeitig werden damit die freien Verschmutzungsrechte für die europäische Industrie in diesen Bereichen Schritt für Schritt bis 2034 auslaufen. Die Schwerindustrie wird dann in diesen Sektoren vollumfänglich Verschmutzungszertifikate im Rahmen des Europäischen Emissionshandels erwerben müssen. Das stärkt das ‚Verschmutzer-zahlt-Prinzip‘ als Basis für eine nachhaltige Industriepolitik. Wer verschmutzt, zahlt – ob inner- oder außerhalb der EU. So wird der europäische Markt vor Klimadumping aus Drittstaaten mit niedrigeren Umweltstandards geschützt und Drittstaaten werden zu mehr Klimaambition angeregt, da sie dann von CBAM-Aufpreisen befreit werden können. Außerdem können mit dem CBAM in der EU sowohl Industriejobs langfristig gesichert, als auch der Schwerindustrie Anreize zur Dekarbonisierung geboten werden.

Verbraucher*innen beim Krypto-Handel besser schützen – Verordnung; Debatte am Mittwoch, 19.4.2023, ab etwa 14 Uhr; Abstimmung am Donnerstag, 20.4.2023, 12 Uhr bis 14 Uhr

Mit der sogenannten MICA-Verordnung, also der Verordnung über Märkte für Krypto-Werte, legt die EU erstmalig einen harmonisierten Rechtsrahmen für Krypto-Märkte auf EU-Ebene fest, die bisher nicht unter die bestehenden EU-Rechtsvorschriften für Finanzdienstleistungen gefallen sind. Damit stärkt die EU sowohl den Schutz von Verbraucher- und Anleger*innen, als auch die Rechtssicherheit für Anbieter*innen. Darüber hinaus sollen strenge Regeln für Stablecoins eingeführt werden, also für währungsgebundene Krypto-Werte. Die Liquiditätsanforderungen an die Anbieter*innen steigen und die Beaufsichtigung durch die Europäische Bankenaufsichtsbehörde wird strenger.

Allerdings entwickeln sich die Krypto-Märkte rasch weiter. In den letzten Jahren gab es mehrere Skandale, darunter den jüngsten Zusammenbruch der Kryptowährungs-Handelsplattform FTX. Die EU darf sich aus Sicht der Sozialdemokrat*innen deshalb nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen und muss mit dem Innovationstempo Schritt halten. Daher sollte die EU-Kommission die Entwicklungen auf den Märkten für Krypto-Anlagen weiterhin genau beobachten und bei Bedarf weitere Regulierung vorschlagen, wie sie auch vom EZB-Präsidenten gefordert wurden; insbesondere in Bereichen, die noch nicht von dieser Verordnung abgedeckt werden, wie zum Beispiel die Regulierung von Non-Fungible Token (NFT). Sozialdemokrat*innen wollen zudem ermöglichen, dass der Markt für Kryptowährungen funktionieren kann, ohne die Klima- und Energieziele in der Europäischen Union zu gefährden. Allein das Bitcoin-Mining soll laut mehreren Studien zufolge jährlich so viel Energie wie Länder von der Größe Österreichs oder Portugals verbrauchen. Bessere Regeln zur Offenlegung von Umweltrisiken konnten die Sozialdemokrat*innen in den Verhandlungen durchsetzen, wohingegen klare Regeln für Mindeststandards für Nachhaltigkeit aufgrund des erheblichen Widerstands von Mitte-Rechts vorerst gescheitert sind.

Stimmt das Plenum mit Mehrheit für die Verordnung, müssen die EU-Staaten die Vereinbarungen innerhalb von 12 Monaten beziehungsweise 18 Monaten anwenden.

KI für komplexe Maschinenprodukte sichern – Verordnung; Abstimmung am Dienstag, 18.4.2023, 12 Uhr bis 13 Uhr

Das EU-Recht zur Produktsicherheit komplexer Maschinen wie Putzroboter, 3D-Drucker oder Industriemaschinen ist seit 20 Jahren nicht aktualisiert worden. Inzwischen verursachen Anforderungen an Cybersicherheit, künstliche Intelligenz und komplexe Lieferketten neue Herausforderungen. Mit den neuen Vereinbarungen soll der europäische Rechtsrahmen zur Maschinensicherheit fit für die Zukunft gemacht werden.

Durch die Zertifizierung komplexer Maschinen mit Lernfähigkeiten soll das Vertrauen in digitalen Technologien gesteigert und Mensch-Roboter-Zusammenarbeit sowie Vernetzung grundsätzlich verbessert werden. Auf Grund der Umwandlung einer Richtlinie hin zu einer Verordnung wird das Recht künftig im Binnenmarkt einheitlich angewendet. Dies beseitigt europaweit rechtliche Unklarheiten und stärkt somit die Innovationsfähigkeit und Grundlage der europäischen Industrie. Die europäischen Verbraucher*innen und Arbeitnehmer*innen sollen so bei der Verwendung von Putzrobotern und 3D-Druckern auch künftig sicher sein. Verwendungs- und Sicherheitshinweise sollen weiterhin in Papierform mitgeliefert werden müssen.

Nach der Annahme durch das EU-Parlament und den Fachministerrat werden die Mitgliedstaaten gut 42 Monate haben, um die neuen Regeln vollständig anzuwenden.

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Petra Kammerevert MdEP