Klimagerechter Umbau unserer Kommunen

Warum Stadtwerke Treiber der Energiewende sind

Beitrag von Thomas Kutschaty

Sie stehen als Sponsor auf dem Trikot des Handballvereins, finanzieren die jährliche Auszeichnung von herausragenden Sportlerinnen und Sportlern in der Stadthalle oder unterstützen das Kinderfest im Stadtpark: Stadtwerke sind bürgernah wie kaum ein anderes Unternehmen. Sie sorgen für Wärme, Wasser, Gas und Strom und stehen damit im Mittelpunkt der Daseinsfürsorge in Deutschland. Womöglich ist der eine oder die andere Kundin beim „eigenen Stadtwerk“ aus Überzeugung. Aber es gibt ganz rationale Gründe: Vielfach ist das Angebot des kommunalen Versorgers im Vergleich zu anderen absolut konkurrenzfähig. Hinzu kommt: Häufig gehört das Stadtwerk der eigenen Kommune und sorgt damit für konkrete Wertschöpfung vor Ort und im städtischen Haushalt.

In Deutschland gibt es um die 1.000 Stadtwerke. Und vielerorts geht das Leistungsspektrum weit über die Energieversorgung hinaus: Abfallentsorgung, öffentlicher Nahverkehr, Straßenbeleuchtung, Parkhäuser, Schwimmbäder und Digitalisierungsprojekte gehören zum Portfolio – zum Teil funktioniert das im steuerlichen Querverbund. In den vergangenen Jahren kamen Windparks, Photovoltaik, Speichertechnik und Ladesäuleninfrastruktur hinzu. Viele Stadtwerke bieten ihren Kundinnen und Kunden darüber hinaus umfangreiche Dienstleistungen. Kurz: Stadtwerke und kommunale Unternehmen aus der Wohnungs- und Abfallwirtschaft bilden das infrastrukturelle Rückgrat unserer Städte und Gemeinden – und sie befinden sich in den Händen ihrer Bürgerinnen und Bürger. Vielfach können nur mit ihrer Hilfe Einrichtungen, wie Schwimmbäder oder andere Sport- und Freizeitanlagen modernisiert oder im Betrieb gehalten werden.

Diese kleine Leistungsschau macht schnell deutlich, dass die kommunale Ebene, dass kommunale Konzerne eine zentrale Rolle bei der Erreichung unserer Klimaziele spielen. Das Besondere: Sie sind nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale Akteure, die selbst in angespannten Situationen eine sichere Versorgung der gesamten Bürgerschaft gewährleisten. Mit Wasser, mit Strom, mit Wärme, mit dem ÖPNV. Sozialdemokratische Klimapolitik muss dort ansetzen. Der Beitrag einiger Weniger wird nicht reichen, um auf der lokalen Ebene den Weg zu einer klimaneutralen Gesellschaft zu meistern. Es braucht Angebote für die breite Mitte und es braucht die Perspektive auf diejenigen, die aus eigener Kraft nur begrenzt einen Beitrag leisten können. Dafür braucht es einen aktiven Staat und öffentliche Akteure, die vor Ort die Energiewende umsetzen. Unabhängig vom Geldbeutel des Einzelnen. Kommunalunternehmen werden deshalb dringend für den klimagerechten Umbau unserer Städte, Gemeinden und Kreise gebraucht.

Die Stadtwerke stecken jedoch zunehmend in einem Dilemma. Spätestens seit Ende 2021 müssen sie Erdgas und Strom zu immer höheren Preisen einkaufen. Weil sich viele Stadtwerke zuletzt nicht am Preisdumping auf dem Energiemarkt beteiligt haben, weil sie keine Dividende ausschütten mussten und weil weitsichtige Verträge geschlossen wurden, konnten Preissteigerungen für Kunden lange vermieden werden. Die kommunalen Energieversorger trugen dazu bei, die Inflation zu bremsen. Letztlich müssen aber auch sie im Angesicht der Krise kapitulieren, und trotz der Weitergabe der Preissteigerungen droht die finanzielle Schieflage. Gewinne der Energieversorger, die im Querverbund Verluste ausglichen und Investitionen ermöglichten, brechen weg. Gleichzeitig steigen die Energiekosten im gesamten Konzern, beispielsweise für den Öffentlichen Nahverkehr oder das Schwimmbad. An einigen Orten kann diese finanzielle Lücke durch kommunale Haushalte aufgefangen oder zumindest überbrückt werden. Es deutet sich allerdings an, dass immer mehr Kommunen diese Last nicht tragen können. In der Folge werden Schwimmbäder zuerst dort schließen, wo bereits Mangel herrschte. Die soziale Schieflage verschärft sich. Und das in einer Zeit, in der extreme Hitzesommer die neue Normalität werden und wir viel mehr öffentliche Orte zum Abkühlen brauchen.

Motor der Transformation in der Kommune

Das skizzierte Leistungsspektrum lässt erkennen, welches Transformations- und Einsparpotential bei Kommunalunternehmen besteht – beim ÖPNV, im Schwimmbad, bei der Straßenbeleuchtung. Andererseits sind Stadtwerke ein idealer regionaler Anker, um Investitionen in Erneuerbare Energien zu tätigen und bürgernah dem Verbraucher ein entsprechendes Produkt- und Dienstleistungsangebot anzubieten.

Nehmen wir die Stadtwerke Unna als Beispiel: Die Geschichte beginnt im Jahr 1860 mit der Erzeugung von Kokereigas. Anfang des 20. Jahrhunderts kommt die Stromversorgung hinzu, 1975 wird auf Erdgas umgestellt und bereits 1992 werden spannende Wege beschritten: Ein Energieberatungszentrum wird eröffnet, ein erstes Blockheizkraftwerk geht in Betrieb und die Wärmeversorgung wird ausgebaut. Im Jahr 1993 folgt eine Windenergieanlage, 1995 dann eine Wasserkraftanlage und 2004 entsteht ein Virtuelles Kraftwerk, welches die Steuerung der dezentralen Stromerzeugung übernimmt. Mit Photovoltaikanlagen, der Beteiligung an Offshore-Windkraft, einem Glasfasernetz, Ladesäulen, einem Mieterstromprojekt und vielem mehr wird dieser Weg in den kommenden Jahren fortgesetzt. Bemerkenswert: Im Jahr 2015 folgt die Gründung einer Energiegenossenschaft, durch die sich Bürgerinnen und Bürger am Betrieb und Bau von neuen Photovoltaikanlagen beteiligen können.

Wer heute die Angebote der Stadtwerke Unna durchstöbert, stößt auf ein „EnergieSparbuch“: Guthaben wird beispielweise durch den Erwerb eines E-Bikes oder einer effizienten Waschmaschine erzeugt und reduziert damit zum Jahresende die Stromrechnung. Unter der Überschrift „EnergieDach“ wird der Erwerb oder die Pacht von Photovoltaik-Anlagen angeboten. Mit „WärmeKomplett“ werden Angebote für den Einbau einer neuen und damit effizienteren Heizungsanlage gemacht und bei der Elektromobilität wird zum Beispiel mit der „EnergieBox“, einem Angebot für die Montage und den Betrieb von Wallboxen, gelockt.

Die Stadtwerke Unna stehen stellvertretend für die Innovations- und Investitionskraft vieler kommunaler Versorger. Und dabei haben sie ein besonderes Ass im Ärmel: Stadtwerke genießen häufig einen Vertrauensvorschuss. Sie sind also gut geeignet, um Bürgerinnen und Bürger, die Berührungsängste mit neuer Technologie haben, durch clevere Angebote und wohnortnahe Beratung für die Energiewende zu begeistern.

Trotz aller Herausforderungen investieren Stadtwerke vor Ort. So werden lokale Wertschöpfungsketten unter Beteiligung von Handwerksunternehmen gestärkt. So können neben der örtlichen bzw. regionalen Wertschöpfung auch neue Innovationszusammenhänge geschaffen werden.

Tatsache ist aber auch, dass in vielen Regionen noch erhebliches Potenzial schlummert. Die Gründe dafür sind vielfältig, die Lösungsansätze aber ebenso.

So wird’s funktionieren

  • In einem ersten Schritt geht es darum, zu begreifen, dass kommunale Versorger systemrelevant sind. Weitergehend haben sie sogar gezeigt, dass sie durch stabile Preise die Inflation abfedern können. Um die Stadtwerke vor dem finanziellen Ruin zu schützen, braucht es in der aktuellen Situation einen Schutzschirm. Das müssen Bund und Länder leisten. Anderenfalls, wenn den kommunalen Versorgern das Geld ausgeht, müssen Städte und Gemeinden einspringen. Da mittlerweile viele Kommunen finanziell am Abgrund stehen, ist das jedoch keine realistische Option. Vielmehr wird sich die kommunale Finanzsituation durch Schieflagen bei kommunalen Unternehmen noch einmal weiter verschärfen, weil Gewinnabführungen nicht mehr stattfinden, Querverbünde ins Wanken geraten und Investitionen ausbleiben.
  • Stadtwerke sind das Tafelsilber der Kommune, das sich in der Krise vermeintlich schnell zu Geld machen lässt. Das Instrument der Privatisierung von kommunalen Unternehmen darf nicht wieder zurück auf die politische Agenda. Nicht zuletzt deshalb braucht es flächendeckend – insbesondere in Nordrhein-Westfalen – eine solidarische Altschuldenlösung für hoch verschuldete Kommunen.
  • Stadtwerke sind in der Regel Töchter ihrer Städte oder Regionen. Sie werden also demokratisch gesteuert, liefern passgenaue Lösungen und leisten gleichzeitig einen Beitrag zum Haushalt. Das sorgt auch dafür, dass die Akzeptanz von Maßnahmen in der Bürgerschaft, sei es die Straßenbaustelle oder der Neubau eines Windrades, höher ist als bei vergleichbaren Projekten anonymer Unternehmen. Erfolge und Erträge sind für Bürgerinnen und Bürger teils mittel- und teils sogar unmittelbar erfahrbar. Einschränkungen gibt es dort, wo Stadtwerke neben der Stadt weitere Miteigentümer haben oder gänzlich verkauft wurden. Hier ist die demokratische Mitbestimmung eingeschränkt und Gewinne wandern ab. Sofern in den kommunalen Parlamenten die Absicht besteht, müssen wir sie bei der Re-Kommunalisierung von Stadtwerken unterstützen. Zentral ist daher ein allgemeines Vorkaufsrecht für die Kommunen. Die Finanzierung kann beispielsweise durch zinsfreie Darlehen über Bund oder Länder erfolgen. Denkbar sind aber auch temporäre Beteiligungen durch Bund oder Länder, um überhaupt in die Lage zu kommen, Vorkaufsrechte auszuüben.
  • Wenn Stadtwerke und Stadtgesellschaft in die Transformation investieren wollen, darf dies nicht allein am Geldbeutel des Versorgers scheitern. Entsprechend müssen Förderprojekte mit Fördersummen und zinsfreien Darlehen aufgebaut werden, um das nötige Kapital zur Verfügung zu stellen.
  • Bürgerwindparks oder vergleichbare Photovoltaikprojekte zeigen uns einen Weg, wie wir gleichermaßen Bürgerinnen und Bürger an der Energiewende teilhaben lassen, Kapital akquirieren und wie wir die Akzeptanz von Infrastrukturprojekten erhöhen können. Solche Projekte wachsen jedoch nicht an Bäumen oder fallen vom Himmel. Stadtwerke können deshalb ein hervorragender Anker für die Gründung von Energiegenossenschaften sein. Ein entsprechendes Förderprogramm von Land oder Bund könnte Wissen, Gründungskapitel oder Personalstellen zur Verfügung stellen.
  • Stadtwerke befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen Gewinn- und Gemeinwohlorientierung und sind deshalb in ein enges Korsett von Vorschriften und Gesetzen geschnürt, welches die Innovationskraft bremst. Es braucht deshalb mehr Spielräume sowie eine Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung, welche zwischen Kommunen, Ländern, Bund und Europa vereinbart werden muss.
  • Wer 75 Jahre alt ist und ein Eigenheim besitzt, der überlegt sich drei Mal, ob er sich noch eine PV-Anlage auf das Dach setzt, die sich erst nach 20 Jahren (finanziell) rechnet. Trotzdem kann es attraktiv sein, die Dachfläche an die Stadtwerke zu vermieten. Hier können Contracting-Modelle ein guter Weg sein, um die regenerative Erzeugungsquote nachhaltig zu steigern.
  • Einer der vielen kommunalen Leuchttürme in Deutschland ist die Innovation City Bottrop. Innerhalb von zehn Jahren wurde der CO2-Ausstoß um 50 Prozent gesenkt. Die Stadtwerke waren ein zentraler Akteur. Solche Projekte können Blaupause sein und müssen viel mehr sichtbar gemacht werden.

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